Aus der Theosophie kommt die hilfreiche Vorstellung, dass der sterbliche Teil unseres Wesens aus vier Körpern besteht: neben dem physischen Körper gibt es noch den Instinkt-, den Gefühls- und den Gedankenkörper.
Unser wahres Selbst ist aber unser ewiges, geistiges Wesen, die Seele.
Wenn wir lernen wollen, uns in geistige Wesen, in Unsterbliche zu verwandeln, müssen wir unser Bewusstsein in den unsterblichen Teil unseres Wesens, die Seele verlegen. Von dort oben schauen wir dann auf den vergänglichen Teil herab und lenken ihn.
Es bin also nicht „ich“, der Hunger hat – es ist mein Leib, der nach Essen verlangt. Ich – die Seele – entscheide, ob, wann, wieviel und was er bekommt.
Es bin nicht „ich“, der instinktiv aggressiv wird zur Verteidigung gegen Artgenossen oder den es zur Fortpflanzung treibt – es ist mein Instinktkörper, der sich da regt. Mein wahres Ich – die Seele – entscheidet, inwieweit ich seinem Begehren nachgebe.
Es bin nicht „ich“, der Freude, Schmerz, Gereiztheit, Niedergeschlagenheit, Begeisterung und anderes spürt – es ist mein Gefühlskörper, der diese Gefühle äußert. Ich – die Seele – entscheide, welche Gefühle ich zulassen und welche ich abweisen will, ob sich der Gefühlskörper in Freude oder in Jammern ausdrücken darf. Die Beherrschung der Gefühle ist eine der großen Aufgaben auf dem Weg des Wachstums der Seele.
Schließlich bin nicht „ich“ es, dem sekündlich die verschiedensten Gedanken durch den Kopf gehen – es ist mein Gedankenkörper, der ständig denkt. Ich – die Seele – entscheide, welche Gedanken ich zulassen und welche ich abweisen will. Ich sollte nur gute, hohe Gedanken hegen. Die Beherrschung der Gedanken ist für das Wachstum meiner höheren Individualität von größter Bedeutung.
Für diese Lenkung und Beherrschung der vier vergänglichen Körper durch das wahre, unvergängliche Wesen ist die Quadriga ein schönes Bild:
Die vier Pferde stellen die vier Körper dar. Unser eigentliches, unvergängliches Selbst ist der Wagenlenker, dessen Aufgabe es ist, die Rosse seinem – nicht ihrem! – Ziel entgegen zu führen.
Fast alle alltäglichen Schwächen haben ihre Ursache darin, dass eines oder mehrere unserer Pferde „aus dem Ruder laufen“, in falsche oder verschiedene Richtungen ausbrechen und erst wieder gebändigt werden müssen. Wenn sich die Pferde durchsetzen und durchbrennen, ist die natürliche Ordnung auf den Kopf gestellt.
Man sieht, dass ein ruhiger, zielgerichteter Lauf der Quadriga das Ergebnis höchster Anspannung ist.
Der Wagenlenker – die Seele – muss groß und stark sein, um die vier Rosse bändigen zu können. Es ist unsere Aufgabe, unser höheres Selbst zu üben und wachsen zu lassen, damit es die erforderliche Kraft erringt.
Auch Platon vergleicht in seinem Dialog „Phaidros“ den Menschen mit einem Zweigespann, das vom Geist gelenkt wird.