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Ernst Jünger

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Ernst Jünger

Beitragvon andreas_t » Sa 25. Feb 2012, 14:25

Ich habe vor kurzem folgenden Abschnitt aus "Das Abenteuerliche Herz" von Ernst Jünger gefunden. Das Buch wurde 1929 erstveröffentlicht. Für mich zeigt der Text deutlich, wie die Themen von Agni Yoga zu dieser Zeit auch in einem ganz anderen Kontext ausgesprochen werden konnten. Heute könnte niemand mehr solche Texte veröffentlichen.

Ernst Jünger, der Schluss aus „Das abenteuerliche Herz“, erste Fassung, Erstausgabe 1929
Aus der Gesamtausgabe von Klett-Cotta, Band 9, S. 174 ff

„Die Idee des Vornehmen repräsentiert sich für mich in einem jener jungen Soldaten des letzten Kriegsjahres, einem von denen, die eben die Schulmappe gegen das Gewehrt vertauscht hatten und deren Gestalt unter dem hochbepackten Tornister fast verschwand. Der Anblick, wie dieser noble Junge in einer Nacht voll Regen und Feuer kurz vor seinem Tode wortlos und tapfer zwei der großen Munitionskästen, die viel zu schwer für ihn waren, durch die Dunkelheit schleppte, gehört zu den furchtbaren Bildern, die sich mir erhalten haben.
Es gibt einen Schlag von großen Herzen, die das Bewußtsein einer einsamen Verantwortung treibt, sich mit den schwersten Lasten zu beladen, und die man den Menschen nicht gönnen möchte, wenn man sie sich verschwenden sieht. Es gibt nur eins, was versöhnt: die glühenden Träume, die das Vorrecht der Jugend sind, das stolze geheime Wild, das vor Sonnenaufgang auf die Lichtungen der Seele tritt. Hier wird dem Andenken jener Namenlosen, Verschollenen manche stille Messe geweiht. In diesen Augenblicken des gläubigen und heroischen Einklanges mit der Welt tritt der Mensch in die verborgene Brüderschaft ein, in einen höheren Kreis des Lebens, der sich durch das geistige Brot des Opfers erhält. Auf daß dieser Limbus bestehe, auf daß die Feuerluft, deren die Seele zur Atmung bedarf, erzeugt werde, ist es nötig, daß fortwährend, bei Tag und bei Nacht, einsam gestorben wird. In den Stunden, in denen der Jugend die inneren Flügel sich regen, während sie aus ihren Dachfenstern über die Häuser der Krämer starrt, muß sie ahnen, daß dort ganz hinten, an den Grenzen des Unbekannten, am Niemandsland, jedes Feldzeichen bewacht und jeder Vorposten bezogen ist. Sie muß das Gefühl haben, mit von der Armee zu sein, vom Schicksal in der Reserve gehalten zu werden und in höchster Alarmbereitschaft zu stehen.
Zu den bedrohlichsten Zweifeln des Werdenden gehört, besonders in einer Zeit, in der die Gemeinheit sich mit der Maske des höheren Menschentums schminkt, der Zweifel an der Wirklichkeit der Träume, am Vorhandensein einer Zone, in der die Wertungen eines kühneren, vornehmeren Lebens Gültigkeit besitzen – kurzum der Zweifel, ob er Menschen gibt. Hier tritt der Versucher auf mit dem Ansinnen, die Seele einem niederen Grade der Wirklichkeit zu verschreiben, denn wenn auch der Mut viel zu bewältigen vermag, so geht er doch an sich selber ein, wenn sein erster Feuerbrand im luftleeren Raume verglimmt.
Hier ist es, wo Aufgabe und Verantwortung des Dichters beginnt, denn ihm ist die Wirklichkeit des Kreises offenbar, dem der Einzelne angehört als ein Punkt seiner Peripherie. Er sieht dort, wo jeder für sich im Kampfe liegt, die durchlaufende Front. Daher ist es seine Stimme, die inmitten der Verwirrung von einer höheren Einheit Kunde gibt oder die Verlassenheit darüber beruhigt, daß der Anschluß besteht. So beruht auch das unvergleichliche Entzücken, dessen nur ganz junge Menschen beim Lesen fähig sind, vor allem darin, daß sie ihre geheimsten Wertungen als gültig bestätigt sehen. »Dies alles gibt es also« – die Vermittlung dieses Gefühls bedeutet für die Robinsons unserer großen Städte nicht weniger als der Abdruck des menschlichen Fußes, den der wirkliche Robinson am Strande seiner Insel fand. Es bedeutet, daß es Menschen gibt.
Nur von diesem Punkte aus, als Ausdruck einer innersten und entschiedensten Rangordnung, scheint mir auch der Kultus des Unbekannten Soldaten, unter dem ich mir eine Gestalt gleich der jenes jungen Kämpfers vorstelle, fruchtbar zu sein. Der weiße Flammenstrahl, der aus dem Asphalt schlägt, sollte der Jugend, die ihn grüßt, ein Symbol dafür sein, daß unter uns der göttliche Funke noch nicht ausgestorben ist, daß es immer noch Herzen gibt, die sich der letzten Läuterung, der Läuterung der Flamme, bedürftig fühlen, und daß die Kameradschaft dieser Herzen die einzig erstrebenswerte ist.“

Hier benutzt Jünger die Begriffe "Verantwortung", "Opfer", "verborgene Brüderschaft, die sich durch das geistige Brot des Opfers erhält", "Feuerluft, deren die Seele zur Atmung bedarf", zu deren Erzeugung es nötig ist, "daß fortwährend, bei Tag und bei Nacht, einsam gestorben wird." (also man sich selbst zum Wohl der Welt opfert). Er beschreibt die ewige Wache und den Schaden, der durch Zweifel entsteht und den hohen Anspruch an das Menschsein, sowie die Bedeutung der Gemeinschaft (Kameradschaft). Alles Begriffe, die auch in Agni Yoga eine hohe Bedeutung haben.
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Re: Ernst Jünger

Beitragvon Tsong » Di 6. Mär 2012, 13:34

Der Ausschnitt belegt unsere Sehnsucht nach dem höheren Leben der Seele, nach der Verwirklichung des göttlichen Funkens in uns. „Opfer“und „Gemeinschaft“ sind dafür zentrale Begriffe.

Wir würden die Realisierung dieser Sehnsucht heute nicht mehr unbedingt im Krieg sehen. Mancher mag den Text auch als Beleg dafür ansehen, wie diese Sehnsucht mißbraucht werden kann.

Das ändert aber nichts an der Wahrheit, daß jede Generation neu den Weg zu einer höheren Existenz finden muß, wenn sie nicht aus Enttäuschung über die materiellen Freuden verknöchern und verbittern will.
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Re: Ernst Jünger

Beitragvon andreas_t » Fr 9. Mär 2012, 00:23

Danke für deinen Kommentar, Tsong!

Nun möchte ich auch noch etwas ergänzen.
Diese Antwort bezieht sich auf folgenden Satz:
Wir würden die Realisierung dieser Sehnsucht heute nicht mehr unbedingt im Krieg sehen.

Zu der Zeit, in der Jünger diesen Text verfasst hat, wollten viele diese Sehnsucht ja tatsächlich durch Krieg befriedigen. (Und leider wurden seine frühen Bücher auch im dritten Reich für gut befunden, obwohl er ein entschiedener Gegner der Nazis war und den Mut besaß, einen Roman zu sc hreiben, der zur damaligen Zeit als Widerstandsroman interpretiert wurde.) Aber man tut Jünger unrecht, wenn man ihn ausschließlich als Verherrlicher des Krieges liest.
Wer sich mit Ernst Jünger befasst, kennt natürlich seine Begeisterung für das Kriegerische, ihm ging es später aber mehr um die Metaphorik als um den tatsächlichen Krieg. Er hat z.B. eine Schrift verfasst, die "der Arbeiter" heißt, und in der es auch um die "totale Mobilmachung" gehti. Sie ist aber ein Programm für die Weiterentwicklung der Menschheit und eine Philosophie, keine Kriegspropaganda. Nur die Metaphern sind dem kriegerischen entlehnt. Aber ist das nicht auch in Agni Yoga so? Das Wort "Krieger" taucht in Agni Yoga und den Briefen von Frau Roerich über hundert mal auf, ich denke, fast immer im positiven Sinn, und das zu einer Zeit, als der Krieg in Europa noch eine wahrscheinliche Sache war - für Frau Roerich war es sicher, dass noch sehr schwierige Zeiten kommen würden. Ihre Einstellung zum Begriff des "Kriegers", eine Metapher, deren literarische Interpretation damals noch nicht so entfernt lag, kann man in einem Brief aus den Briefen nach Amerika lesen, 19. Juni 1933 gleich am Anfang.: "In dem mir zur Begutachtung übergebenen Satz wäre es mir lieber, wenn Sie das Wort ”kriegerisch” durch das Wort ”angriffsfreudig” ersetzen würden – wenn Sie nichts dagegen haben. Erstens, weil in diesem besonderen Fall das Wort ”angriffsfreudig” einen größeren Schwung hat, und zweitens, weil ich persönlich den Begriff Krieger sehr liebe und man ihn nicht im negativen Sinn verwenden kann. In allen religiösen Lehren werden die Menschen, die den geistigen Pfad beschreiten, Krieger genannt. Alle Bodhisattvas und auch Buddha sieht man auf den meisten heiligen Bildern mit einem Schwert in der Hand oder neben sich – als unverletzliches Attribut. [...] Deshalb liebe ich das Wort ”Krieger” so und bewundere jede heldenhafte und mutige Tat." Es ist sehr zu empfehlen, den gesamten Brief zu lesen, in dem Fr. Roerich auch klarstellt, dass sie eine entschiedene Kriegsgegnerin ist. Aber der ganze Ausdruck des Abschnittes hat etwas kämpferisches.) Diese Metaphern lagen damals im Raum und sind gerne von vielen Parteien benutzt und natürlich auch schlimm missbraucht worden.
Vor diesem Hintergrund muss man den Text von Jünger sehen. Der letzte Abschnitt zeigt, dass nicht vom Krieg, sondern von einer höheren Welt die Rede ist: "Hier ist es, wo Aufgabe und Verantwortung des Dichters beginnt, denn ihm ist die Wirklichkeit des Kreises offenbar, dem der Einzelne angehört als ein Punkt seiner Peripherie. Er sieht dort, wo jeder für sich im Kampfe liegt, die durchlaufende Front. Daher ist es seine Stimme, die inmitten der Verwirrung von einer höheren Einheit Kunde gibt oder die Verlassenheit darüber beruhigt, daß der Anschluß besteht. [...]" Würde man diesen Abschnitt wörtlich verstehen, ergäbe er keinen Sinn. Der Dichter vermittelt eine höhere Welt und weist dem Menschen seinen Platz in dieser Welt zu. Er hatte auch zu Jüngers Zeiten nichts damit zu tun, im realen Krieg eine durchlaufende Front da zu sehen, wo jeder Soldat "für sich im Kampfe liegt". Der "Anschluss", den der Dichter zeigt, ist der Anschluss an die höhere Menschheit. "Hier ist es, wo Aufgabe und Verantwortung des Dichters beginnt, denn ihm ist die Wirklichkeit des Kreises offenbar, dem der Einzelne angehört als ein Punkt seiner Peripherie"
Und nun erkennt man an folgendem Abschnitt, dass Jünger den Krieg nur der Metaphorik wegen heranzieht:
"Nur von diesem Punkte aus, als Ausdruck einer innersten und entschiedensten Rangordnung, scheint mir auch der Kultus des Unbekannten Soldaten, unter dem ich mir eine Gestalt gleich der jenes jungen Kämpfers vorstelle, fruchtbar zu sein. [...]“ Das Bild des ganz am Anfang beschriebenen jungen Kämpfers, der die übermenschliche Last trägt und das zu den "furchtbaren Bildern" zählt, die sich Jünger erhalten haben, ist für Jünger nur unter diesem metaphorischen Aspekt fruchtbar. Die "innerste und entschiedenste Rangordnung", deren Ausdruck das Bild ist, ist die "verborgene Brüderschaft", der "[höhere] Kreis des Lebens, der sich durch das geistige Brot des Opfers erhält". Zu dieser Brüderschaft weist der Dichter, nicht der Feldherr den Weg, denn "ihm ist die Wirklichkeit des Kreises offenbar, dem der Einzelne angehört als ein Punkt seiner Peripherie".
Daher sind die Feldzeichen und Vorposten des folgenden Satzes als eine Metapher für Mitglieder der von Jünger beschriebenen "Brüderschaft" zu lesen, auch als Symbol für die geistige Hierarchie: "In den Stunden, in denen der Jugend die inneren Flügel sich regen, während sie aus ihren Dachfenstern über die Häuser der Krämer starrt, muß sie ahnen, daß dort ganz hinten, an den Grenzen des Unbekannten, am Niemandsland, jedes Feldzeichen bewacht und jeder Vorposten bezogen ist. Sie muß das Gefühl haben, mit von der Armee zu sein, vom Schicksal in der Reserve gehalten zu werden und in höchster Alarmbereitschaft zu stehen." Ich denke, man muss hier an folgenden Paragraphen aus Agni Yoga denken:
Hierarchie § 154: "In der Finsternis geleitet die Stimme des Wächters zum Turm, wo der Herrscher Seine Wache hält. Der Wächter kann seinen Dienst nicht ausführen, wenn er den Herrscher nicht wahrnimmt. Und das Weltkataklysmus ist nur die Folge des Vergehens gegen die Hierarchie. Verstoß gegen die Hierarchie ist das Zerbröckeln jeder Kausalität, aller gesetzhaften Wirkungen."

Mich erinnert der erste Teil dieses Textes von Jünger, besonders der Satz: "es gibt einen Schlag von großen Herzen, die das Bewußtsein einer einsamen Verantwortung treibt, sich mit den schwersten Lasten zu beladen, und die man den Menschen nicht gönnen möchte, wenn man sie sich verschwenden sieht" auch an das kosmogonische Hindumärchen aus den "Kryptogrammen des Orients":
"Vor langer Zeit lebte ein tödliches Ungeheuer, das Menschen verschlang. Einmal verfolgte es sein Opfer. Dieser Mann tauchte, um sich zu retten, in einem See unter. Das Ungeheuer sprang ihm nach. Immer noch nach Rettung suchend, sprang der Schwimmer auf den Rücken des Monsters und hielt sich an dem aufrechten Kamm fest, Das Ungeheuer konnte sich nicht auf den Rücken werfen, weil sein Bauch ungeschützt war.
Es sauste in rasender Flucht umher und hoffte, daß sich der Mensch erschöpfen würde. Doch diesem kam der Gedanke, daß er in seiner verzweifelten Lage die Menschheit retten könnte. Und durch diese universelle Vision wuchsen seine Kräfte ins Unermeßliche. Das Ungeheuer beschleunigte indes seinen Lauf derart, daß Funken flogen und diese einen feurigen Schweif bildeten. Inmitten von Flammen erhob sich das Ungeheuer von der Erde. So hat der universelle Gedanke des Menschen sogar den Feind erhoben.
Wenn die Menschen einen Kometen sehen, danken sie dem ewig strebenden Kühnen.
Die Gedanken der Menschen eilen dahin und geben dem Reiter auf dem Ungeheuer neue Kräfte. Weiße, gelbe, rote und schwarze Völker lenken ihre Gedanken zu dem, der bereits vor langem feurig wurde."
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Re: Ernst Jünger

Beitragvon Tsong » Di 13. Mär 2012, 12:58

Unzweifelhaft ist Agni Yoga eine kämpferische Lehre. Oft ist die Rede von „Kriegern des Lichts“ oder „Geistkämpfern“. Im abgelaufenen, von Jesus bestimmten Fische-Zeitalter war „Liebe“ der Leitbegriff, im angebrochenen Wassermann-Zeitalter ist es „Kampf“. Aber nicht mehr Kampf zwischen Deutschland und Frankreich oder USA und Rußland, sondern zwischen den hellen und den dunklen Mächten, die um die Vorherrschaft über diesen Planeten ringen.

Agni Yogis kämpfen nicht für persönliche Ziele, sondern für die Durchsetzung von Wahrheit, Gerechtigkeit, Schönheit und Liebe.

Wie wenig das heute noch verstanden wird, zeigt sich daran, daß vor einigen Jahren „Gotteskrieger“ zum Unwort des Jahres gewählt wurde. Was kann es aber schöneres und größeres geben, als den Plan Gottes (wissenschaftlich gesprochen: die Evolution) auf Erden voranzubringen? Niemand möge glauben, daß das heute ohne Kampf abgehen kann: Kampf gegen die dunklen Seiten in uns selbst und gegen Trägheit, Unwissenheit und Chaos in der Welt.
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